Auf dem Areal am Walkeweg entsteht ein neues Stück Stadt. Die ehemaligen Familiengärten weichen gemeinnützigen Wohnsiedlungen mit Gemeinschafts- und Gewerberäumen sowie einer neuen Primarschule. Auf Baufeld B des übergeordneten Masterplans planen die zwei gemeinnüztigen Basler Wohnbaugenossenschaften GEWONA und zimmerfrei vier neue Holzbauten. Die als «nachhaltige Hausgemeinschaften» funktionierenden Häuser verfolgen das Ziel von «Low-Cost» und «Low-Energy» sowie damit einhergehende niedrige Wohnungs- und Gewerbemieten.
Der Geist der Familiengärten
Was braucht es, damit die Transformation eines lebenswerten, im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft verankerten Ortes, gelingt? Wie kann die Geschichte farbiger Familiengärten, allerlei Länderfahnen, selbstgebauten Holzschöpfen, Gemüsegärten und Grillfesten – kurz: einem freien Ort mit etlichen Möglichkeiten für alle – weitererzählt werden?
Am Modell der Familiengärten ist alles ersichtlich, was ein funktionierendes Mit- und Nebeneinander erfordert: Begegnung und Abgrenzung auf kleinem Raum, Multikulturalität, gegenseitige Akzeptanz, Toleranz und Freude am Zusammenleben.
Die drei Hausgemeinschaften
Eine Hausgemeinschaft kann sich selbst nur dann als solche wahrnehmen, wenn ihr gemeinsamer Rahmen, das Haus, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zulässt. Dafür basieren die hölzernen Langhäuser auf einem richtungsweisenden architektonischen Regelwerk: das Vorkommen einer „Gemeinsamen Mitte“, die räumliche Wahrnehmung des „Grossen Ganzen“ sowie eine klare Ausformulierung einer „Identität“.
Ein zusammenhängender, grosszügiger Erschliessungsraum prägt jede Hausgemeinschaft. Die Laubengänge sind breit, die Atrien luftig. Spontane Begegnungen und längerer Austausch kann spontan zwischen Eingang und Wohnungstür stattfinden. Die Eingänge der Wohnungen sind als kommunikative Übergänge gestaltet, sei als eingezogene Laubengangnischen oder verglasten Entrées zum Atrium.
Kleine Nachbarschaften
Drei bis fünf Wohnungen unterschiedlicher Grösse bilden in den Wohngeschossen eine Untereinheit. Im Laubenganghaus an einem der drei Treppenhäuser pro Haus, im Atriumhaus an einer der beiden Vorhallen pro Geschoss. Tür an Tür wohnen Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und -entwürfen, gegenseitig kann einander geholfen und voneinander gelernt werden. Wechseln die Lebensumstände, besteht die Chance in der direkten, vertrauten Nachbarschaft eine passende Wohnung zu finden und zu verbleiben. Jede Nachbarschaft verfügt daher auch über ein Studio, das Schaltzimmer.
„Das Haus als Kosmos“
Zu Gunsten einer lebendigen Hausgemeinschaft ist die Nutzungsverteilung über die Geschosse heterogen konzipiert. Wohnen und Arbeiten rücken wieder näher zusammen, nach dem Prinzip der kurzen Wege und nicht zuletzt auf Grund der Digitalisierung. Im Erdgeschoss rahmen Gewerberäume das Areal entlang der Gertrud-Spiess-Strasse und des Iris-von-Roten-Platz, an welchem zweigeschossige Wohnateliers folgen. Entlang der Emilie-Louise-Frey-Strasse vernetzen die identitätsstiftenden Lobbys und die Kita die Genossenschaften mit dem Quartier. Im Hofinnern wechseln sich eingeschossige Wohnateliers mit zumietbaren Offices und Grosswohnungen für Familien oder Wohngemeinschaften ab. Ein unerwartetes Potential auf die Hausgemeinschaft bergen einzelne zumietbare Offices, punktuell eingestreut in die Obergeschosse, tangential an die Haupterschliessungen angeordnet: auf jedem Geschoss, für jede Nachbarschaft, bieten diese „Möglichkeitsräume“ Orte für Nachbarschaftsangebote, wie z.B. einen kleinen Yoga-Kurs, einen Massagesalon, Reparaturatelier etc. Zudem kann nahe der eigenen Wohnung das Büro ausgelagert werden oder ein kleiner Hobbyraum für ruhige Arbeiten dazugemietet werden. Der rege Nutzungsmix lässt die Häuser zwischen Individualität und Gemeinschaft oszillieren.
Landschaftliche Einbettung am ehemaligen Gleisbogen
Die Aussenräume sind vielfältig angelegt, die Wege werden zu inoffiziellen kleinen Plätzen. Die sogenannten „Pocket Places“, eigentliche Scharnierflächen, orientieren sich an drei inszenierten Sickergräben, die als kontemplative Gartenelemente mit Feucht- und Uferpflanzen gestaltet sind. Das ganze Oberflächenwasser versickert mittels Sickermulden und -gräben in der Anlage. Das Dachwasser wird für die Pflanztröge und die Dachvegetation neben der Photovoltaik-Anlage in Gefässen gespeichert. Die Aussenräume vor den privaten Wohnbereichen im Erdgeschoss werden mit nicht begehbaren Naturflächen (Wildstauden, -gräser) und kleinen Sträuchern wie Weiden sozial hierarchisiert.
Ökologische Nachhaltigkeit – weniger ist mehr!
Das Projekt erreicht die Werte der 2000-Watt Gesellschaft (SIA 2040). Dafür werden Material-, Gebäudetechnik und folglich der CO2-Abdruck auf ein Minimum reduziert.
Folgende entscheidende Aspekte sind Teil des architektonischen Konzeptes:
- Konsequente Holz-Lehm-Bauweise (inkl. Aussteifung + Lift)
- Minimaler Aushub bzw. Untergeschoss
- Minimierung der Bauteilschichten
- U-Wert Fassade opak bei 0.12 W/m2K
- Begrenzung Transmissionswärmeverluste (max. Fensteranteil 45%)
- Thermisch aktivierbare Speichermasse (Raumklima)
- Erdsonde-Wärmepumpe als einfaches und effizientes Heiz-und Kühlsystem
Der Komfort im Sommer, mit zunehmenden Hitzeperioden, kann einerseits durch die begrenzte Fensterfläche und anderseits durch die tiefen Laubengänge gewährleistet werden. Die Begrünung bringt zusätzlich eine Maximierung der Verdunstungsenergie und so eine Senkung der Oberflächentemperaturen im Übergangsbereich von aussen nach innen. Zudem lässt sich diese Funktion ideal mit den Ansprüchen der Biodiversität kombinieren. Die Regenwasserretention funktioniert über grosse Edelstahltanks auf dem Dach, aus denen nebst der WC-Spülung auch die Bewässerungsleitungen der Fassadenbegrünung gespiesen wird (dezentrale Wasserentnahme pro Wohnungsbalkon).
Die Low-Tech-Gebäudetechnik unterstützt die Behaglichkeit mit der Möglichkeit von Freecooling über die geplante Bodenheizung. Hierfür kann die Erdsonde-Wärmepumpe eingesetzt werden. Weiter ist ein einfaches Lüftungskonzept mit Nachströmung vorgesehen, welches auch für die Nachtauskühlung aktiviert werden kann. Die PV-Anlage gewährleistet das Einhalten von „netto null“, es wird mindestens so viel Energie produziert wird, wie für den Gesamtverbrauch nötig ist.
Statik & Brandschutz, Wirtschaftlichkeit
Die Langhäuser sind als Holzskelettbauten in einem regelmässigen Raster von 3.50 x 3.80 m konzipiert. Aus ökologischer und wirtschaftlicher Absicht wird eine Tertiärstruktur aus Kopplungsbrettern eingeführt, die für eine beträchtliche Einsparung der Holzmasse sorgt. Die Vorfabrikation der Nebenräume bzw. Technikschächte als Raumboxen erhöht den wirtschaftlichen Faktor signifikant.
Die Erstellungskosten werden auf ein Minimum reduziert, um die Kostenmieten für die Bewohner*innen möglichst tief zu halten. Dies unter anderem durch:
- effizient organisierten Wohnungen
- eine hohe Anzahl Wohnungen
- einen hohen Grad an Vorfabrikation
- einer regelmässigen Tragstruktur
- Materialersparnissen bei den Aufbauten.
- und einem minimalen Aushubvolumen.
Bauauftraggebende:
Genossenschaft für Wohnen und Arbeiten GEWONA & Wohngenossenschaft zimmerfrei
In Zusammenarbeit mit:
Grand Paysage, Landschaftsarchitektur
B3 Kolb AG, Holzbauingenieure
Prona AG, Bauphysik und Nachhaltigkeit
Illustrationen:
Christoph Fischer
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